Wenige Tage vor seinem Suizid vollendete 1970 der Katholik Bernd Alois Zimmermann sein wohl persönlichstes und bekenntnishaftestes Werk: Es basiert auf der berühmten Legende Der Großinquisitor von Fjodor M. Dostojewski, in der Jesus der Machtdemonstration des Großinquisitors ausgesetzt ist und sich auf der Anklagebank wiederfindet...
Zimmermann konfrontiert Textteile daraus mit Bibelzitaten aus dem Prediger Salomo, die kontrastreich und erschütternd direkt aufeinanderprallen, und stellt musikalisch den Bach-Choral „Es ist genug“ dagegen. Angesiedelt zwischen Oratorium und Theater nannte er sein letztes Werk eine „ekklesiastische Aktion“. Zwei Tage vor Ende der Arbeit schrieb er an seine Tochter: „Mein seelischer Zusammenbruch resultiert aus der für mich schon seit drei Jahren bestehenden Einsicht, dass die Musik, ob als Kunst oder Anti-Kunst, sich selbst umgebracht hat. Selbstverständlich wird es weiter Musik geben, Musik, die wir meinen, weil man sonst nicht existieren kann: Kunst als Notwehr gegen ein Leben, das total aus den Fugen zu gehen droht und schon gegangen ist.“
19 Uhr Konzerteinführung im Kleinen Saal
Es gibt wieder eine Bewirtung vor dem Konzert und in der Pause. Bei Grauer Gastro, Telefonnummer 07121/138 45 10, oder hier unter Pausenverpflegung Stadthalle, können Sie vorbestellen.
Ich wandte mich um und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne; und siehe, da waren die Tränen derer, so Unrecht litten und hatten keinen Tröster; und die ihnen Unrecht taten, waren zu mächtig, daß sie keinen Tröster haben konnten. (Prediger 4,1)
„Das ‚Gesetz‘, der ‚Wille Gottes‘, das ‚heilige Buch‘, die ‚Inspiration‘ – Alles nur Worte für die Bedingungen, unter denen der Priester zur Macht kommt, mit denen er seine Macht aufrecht erhält, – diese Begriffe finden sich auf dem Grunde aller Priester–Organisationen, aller priesterlichen oder philosophisch–priesterlichen Herrschaftsgebilde. (Der Antichrist, 55)
Impulsgeber*innen:
- Dr. phil. Dr. h.c. Michael Schmidt-Salomon, freischaffender Philosoph und Schriftsteller
- Marcus Keinath, Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Reutlingen
- Dr. med. Dr. phil. Dipl.-Psych. Martin Härter, Direktor Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
(Veröffentlichung der Videos spätestens 6 Wochen vorher)
Friedrich Nietzsche war begeisterter Dostojewski-Leser. Der Spross eines pietistisch gestimmten protestantischen Pfarrhauses nannte Dostojewski einmal die „glücklichste Entdeckung“ seines Lebens. Im Grunde ein Leben lang arbeitete er sich am Christentum ab und wurde darüber einer seiner schärfsten Kritiker. Als „Philosoph mit dem Hammer“ fand er oft drastische Worte, um seiner Kritik am Christentum Ausdruck zu verleihen. So warf er dem Christentum vor, es habe den Begriff der Sünde nur erfunden, um die Menschen zu knechten.
Wir fragen unser Publikum: Gibt es Sünde?